An die Darsteller des Theaterstücks „Der Gott des Gemetzels“ werden Höchstansprüche gestellt. Für jeden Einzelnen der 4 Personen bedeutet es eine große Herausforderung, 90 Minuten lang ununterbrochen auf der Bühne präsent zu sein und voll konzentriert zu spielen. Unsere neue Regisseurin Brunhild Falkenstein hatte dann auch viel Arbeit mit uns bis jede Geste perfekt zu den Dialogen passte, und wir nie aus unseren Rollen fielen.
Nun zu den Personen des Stücks und von wem sie verkörpert werden:
Alain Reille gespielt von Thomas Otterpohl
Er verkörpert den eiskalten, mit allen Wassern gewaschenen Anwalt. Sein größter Mandant ist ein Pharmakonzern, der gerade in einen Arzneimittelskandal verwickelt ist. Er ist ein gewissenloser Zyniker. Seine Karriere steht bei ihm an erster Stelle, der sich alles, auch seine Familie, unterzuordnen hat. Ständig kreisen seine Gedanken um das Geschäft. Seine engste Beziehung ist die zu seinem Handy. Darin ist sein ganzes Leben enthalten. Es ist ein Teil seines Ichs ohne das er nicht existieren kann. Aus dieser ständigen Erreichbarkeit schöpft er die Grundlage seiner Existenz und Machtposition.
Annette Reille gespielt von Christel Frank
Sie ist Vermögensberaterin und reibt sich auf zwischen Beruf, Mutter und Ehefrau. Voller Verständnis will sie zwischen den Parteien vermitteln. Distanziert und unterschwellig nervös sucht sie permanent nach Lösungswegen, um ein Eskalieren des Streits zu verhindern. Bei familiären Problemen steht sie allein da und findet keine Unterstützung bei ihrem Mann Alain. Sie versucht, ihre Emotionen in den Griff zu bekommen und ihre Gefühlsregungen sowie ihre Wut zu unterdrücken. Diese Belastungen schlagen ihr auf den Magen.
Michel Houillé, gespielt von Dieter Dotzert
Er betreibt einen Großhandel mit Haushaltsartikeln. Beruflich ist er nicht gerade vom Erfolg verwöhnt und leidet unter der moralischen Überlegenheit seiner Frau Véronique. Hinter der Fassade eines umgänglichen jovialen Menschen lauert die Wut. Unter der Oberfläche des Gemütsmenschen brodelt der Jähzorn. Im Laufe der Auseinandersetzungen flammt er immer wieder auf bis er sich letztendlich wie bei einem Vulkanausbruch entlädt.
Véronique Houillé gespielt von Elvira Löber
Sie arbeitet halbtags in einer Kunstbuchhandlung und schreibt Bücher über Afrika. Sie will nicht nur ihren Sohn sowie den Ehemann erziehen sondern auch alle anderen in ihrem Umfeld. Egal, ob es sich um Erziehungsfragen, die Rettung der Welt oder Küchentricks handelt, sie weiß alles besser und lässt jeden ihre Überheblichkeit spüren. Als „Gutmensch“ ist sie gefangen in ihren strikten Moralvorstellungen. Sobald Jemand an dieser Festung rüttelt, reagiert sie gereizt und verbittert bis hin zur Weinerlichkeit und Hysterie.
Inszenierung und Regie: Brunhild Falkenstein
Nach ihrer Schauspielausbildung an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover gründete sie gemeinsam mit ihrem Mann Jörg Falkenstein das Theater „Rollwagen“. Als Zwei-Personen-Theater war das Schauspieler-Duo fast 35 Jahre lang sehr erfolgreich tätig und hat während dieser Zeit über 60 Produktionen auf die Bühne gebracht.
„Der Gott des Gemetzels“ war ihre 1. Inszenierung in unserer Theatergruppe und ein voller Erfolg. Das Publikum brachte seine Begeisterung mit lang anhaltendem Applaus und Standing Ovations zum Ausdruck und die Presse schrieb, dass sich die Zusammenarbeit bewährt hat.
Brunhild wir danken dir. An deinen Anforderungen sind wir ein ganz schönes Stück gewachsen. Nun hoffen wir, dass du dich zu einer weiteren Zusammenarbeit entschließen kannst, haben aber Verständnis, dass du für deine Entscheidung Zeit brauchst.
Anmerkung: Im August verstarb unverhofft Brunhild Falkensteins Mann Jörg. Wir sind sehr traurig darüber, nehmen still Anteil und verneigen uns vor einem großartigen Schauspieler.
Thomas Thiele schrieb am 13. August 2017 in der HNA
Eine große Stimme ist verstummt
Schauspieler Jörg Falkenstein vom Rollwagen-Theater starb mit 76 Jahren
Nordhessen ist um eine große Stimme ärmer. Der Schauspieler Jörg Falkenstein, eine Hälfte des bekannten Rollwagen-Theaters aus Friedrichsfeld, ist im Alter von 76 Jahren gestorben.
Einem großen Publikum wurde er durch die Inszenierungen bekannt, die ab 1982 über 20 Jahre lang auf der Sababurg stattfanden.
Falkenstein wurde 1941 in Kiel geboren, absolvierte die Schauspielschule Wien und spielte am Jungen Theater Göttingen, bevor er Redakteur der NDR-Fernsehspielabteilung in Hamburg wurde. Später kehrte er nach Göttingen zurück und lernte seine spätere Ehefrau Brunhild Geipel kennen.
Zwischen 1970 und 1982 wirkte der Schauspieler in 14 Spiel- und Fernsehfilmen sowie TV-Serien mit, unter anderem zweimal im Trimmel-Tatort, in „Bauern, Bonzen, Bomben“ sowie „Finkenwerder Geschichten“. 1982 agierte er im Berlinale-Spielfilm „Eine deutsche Revolution“.
Mit seiner Frau Brunhild wagte er, ein eigenes mobiles Theater („Rollwagen“) zu gründen, das in Schulen, Altenkreisen, Büchereien und bei Festen auftrat, um mit Kurzprogrammen Menschen zu erreichen, die nicht von sich aus ins Theater gehen. Der Märchen-Premiere „Die kluge Gretel“ im Juni 1982 auf der Sababurg folgte eine Vielzahl von Inszenierungen, für die sie komplexe Geschichten zu Zwei-Personen-Stücken verdichteten, die mit einfachsten Requisiten viel Raum für Fantasie ließen.
Der Zuschauerkreis wuchs ebenso wie der Umfang der Inszenierungen, von Schwänken, Gruselgeschichten und Valentinaden, über Goethe und Shakespeare bis zu Schiller, Moliere und erotischen Geschichten. Vor allem Jörg Falkenstein grub ständig fast vergessene Texte aus und machte mit seiner nuancierten, klaren, ausdrucksstarken Sprache Freude beim Zuhören, er weckte und wiedererweckte bei vielen das Interesse an Literatur.
Hinter seinen Rollen war der Mensch Jörg Falkenstein nicht sofort zu erkennen, aber er offenbarte sich im Gespräch schnell als aufgeschlossener, sympathischer Mensch, der das Gefühl von Geborgenheit vermittelte.
2005 verabschiedeten sich die Falkensteins von der Sababurg zugunsten mehrerer Spielstätten in der Region, gaben dann die Freiluftveranstaltungen auf und konzentrierten sich auf reines Lesetheater und boten weiter viele literarische Entdeckungen.
Geprägt war Jörg Falkenstein da schon von seiner Parkinson-Erkrankung, die ihm das Spielen erschwerte, nicht aber das Lesen und Sprechen. Am Dienstag ist er gestorben.
Das Titelfoto dieses Beitrags stammt von Thomas Thiele. Danke dafür.